Reinhold Tüxen im Nationalsozialismus

Gutachten für den Niedersächsischen Heimatbund e. V. von Hans-Werner Frohn, Stiftung Naturschutzgeschichte

Der international renommierte Botaniker Reinhold Tüxen (1899-1980) gilt als einer der Begründer der Pflanzensoziologie und Gründer der Floristisch-Soziologischen Gesellschaft in Göttingen (1927), deren erster und langjähriger Vorsitzender er war. Sie publiziert bis heute die Zeitschrift Tüxenia mit Fachbeiträgen zu Themen der Geobotanik / Vegetationsökologie und zu Nachbarwissenschaften.

Die Pflanzensoziologie bietet nach dem damaligen Forschungsstand ein schlüssiges Konzept dafür an, Vegetation in Gesellschaften unterschiedlicher Ordnung hierarchisch zu klassifizieren. Sie gewann großen Einfluss auf den Naturschutz, zunächst in der damals preußischen Provinz Hannover, dann auch in anderen Teilen Deutschlands und weltweit. In den 1930er-Jahren entwickelte Tüxen in seiner „Zentralstelle für Vegetationskartierung“ sein Konzept, wonach sich eine typische Vegetation unter bestimmten Klima- und Bodenbedingungen an jedem Standort einstellt und dort stabil bleiben würde. Dieses Konzept entwickelte er in den 1950er-Jahren zu dem der „Potentiell natürlichen Vegetation“ weiter, das Endzustände der Vegetation (Klimax) beschreiben wollte, den diese ohne menschliche Eingriffe in einem Gebiet erreichen würden.

Tüxens Institut in Hannover, die Zentralstelle für Vegetationskartierung, blieb auch über das Ende des Zweiten Weltkrieges hinaus bestehen und wurde 1949 in die Bundesanstalt für Vegetationskartierung überführt, die 1962 mit der Bundesanstalt für Naturschutz zur Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege fusionierte. All dies ist mit dem Namen Tüxens in hohem Maße verknüpft.

Die Stadt Rinteln, in deren Ortsteil Todenmann Tüxen bis zu seinem Tode lebte, hat ihn 1979 ob seiner wissenschaftlichen Verdienste zum Ehrenbürger ernannt, zumal er dort von 1953 bis 1980 die Symposien der International Association for Vegetation Science in Rinteln organisierte. Seit 1987 verleiht die Stadt Rinteln alle zwei Jahre den Reinhold-Tüxen-Preis, um Persönlichkeiten auszuzeichnen, die Hervorragendes in Forschung und Anwendung auf dem Gebiet der Pflanzensoziologie im In- und Ausland geleistet haben. Er ist einer der wenigen Wissenschaftspreise überhaupt, der an Wissenschaftler der ökologisch-vegetationskundlichen Disziplinen verliehen wird und deshalb auch international große Beachtung findet.

Allerdings wird seit rund zehn Jahren das Wirken Reinhold Tüxens in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur immer wieder kritisch als belastet hinterfragt. 2018 wurde die Stadt Rinteln von der bei der Naturfreundejugend angesiedelten Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) aufgefordert, den Reinhold-Tüxen-Preis nicht mehr nach ihrem Ehrenbürger zu benennen, weil er durch seine Tätigkeiten während der NS-Diktatur nicht als Vorbild dienen könne. Doch die Diskussion wurde auf schmaler, kaum belastbarer Quellenbasis geführt; es fehlte eine historisch-wissenschaftliche Forschung zum Wirken Reinhold Tüxens in der Zeit des Nationalsozialismus.

Auf Initiative des seit 2019 Vorsitzenden der Reinhold-Tüxen-Gesellschaft und 2024 viel zu früh verstorbene Geobotaniker und bis 2023 Präsidenten des Niedersächsischen Heimatbundes (NHB), Prof. Dr. Hansjörg Küster, übernahm der NHB 2022 die Aufgabe, diese Forschungslücke mit dem jetzt vorliegenden Gutachten zu schließen. Mit den Forschungen wurde die Stiftung Naturschutzgeschichte in Königswinter in Person des einschlägig anerkannten Historikers Dr. Hans-Werner Frohn beauftragt.Die Forschungsarbeiten von Hans-Werner Frohn und die Entwicklung des Gutachtens wurde im Bearbeitungszeitraum Oktober 2022 bis März 2025 von einem unabhängigen wissenschaftlichen Beirat kritisch begleitet, wobei bei der Bewertung und Gewichtung einzelner Fakten auch unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten gesehen und diskutiert wurden.

Die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung und die Schaumburger Landschaft e. V. haben durch ihre Förderung dankenswerterweise das Zustandekommen des Gutachtens ermöglicht, das unter der ISBN-Nr. ISBN: 978-3-9816980-8-4in kleiner Auflage für Fachbibliotheken in Druck gegangen ist und hier zum Download zur Verfügung steht.

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