Gewässerbau und -nutzung

Brunnen

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Künstliche Einrichtung zur Gewinnung von Trink-, Tränke-, Lösch- und Brauchwasser; auch Pütt, Sod oder Born genannt (v. a. bei Laufbrunnen). Nach der Herkunft des Wassers lassen sich drei Brunnentypen unterscheiden:

  1. Grundwasserbrunnen, bei denen Wasser aus wasserführenden Bodenschichten gewonnen wird. Während heute verschiedene Verfahren in Gebrauch sind, kannte man früher nur den Schachtbrunnen, dessen Wandung aus verschiedenem Material bestehen konn­te (Holzbohlen, Feld- und Ziegelsteine, Fässer, Torfsoden, Flechtwerk oder ausgehöhlte Baumstämme). Nach Art der Förderung gliedert man Schachtbrunnen in
  • Zieh- oder Galgenbrunnen, bei denen ein Eimer an einem schwenkbaren Balken befestigt ist,
  • Schöpf- oder Hebebrunnen, deren Eimer an einem Seil über eine Rolle oder über eine Haspel mit Kurbel hinabgelassen wird, und
  • Pump- oder Schuckebrunnen, bei denen das Wasser mit Schwengelpumpen (auch Schucken oder Zucken) gehoben wird.
  1. Permanent Wasser fördernde Laufbrunnen, bei denen ständig Wasser aus Quellen, aus höher gelegenen Gewässern oder aus Flüssen über Wasserkünste in Röhren herbeigeführt wird. Früheste Laufbrunnen heißen regional Röhren-, Wasser- oder Pipenpfosten bzw. Pipenbome, später kamen sie v. a. als Marktbrunnen zum Einsatz.
  2. Zisternenbrunnen, in denen Regenwasser gesammelt und mit Pumpen, Eimern o. ä. nach oben befördert wird; früher z. B. auf Burgen gebräuchlich.

 

Kulturgeschichte:

Brunnen sind Zeugen der Besiedlungs- und Technikgeschichte. Sie wurden in Deutschland bereits Ende des 6. Jahrtausends v. Chr. angelegt, der älteste niedersächsische ist ein 2000jähriger Holzkastenbrunnen bei Algermissen, Ldkr. Hildesheim. Die Entwicklung der Hebevorrichtungen beim Grundwasserbrunnen verlief vom per Hand be­dienten Eimer über Ziehbrunnen zu Schöpf- oder Hebebrunnen, bis im 18. Jahrhundert Pump- oder Schuckebrunnen aufkamen, zunächst aus Holz, dann aus Gußeisen. Laufbrunnen sind seit dem 13. Jh. verstärkt entstanden. Eine immer prunkvollere Gestaltung erhielten sie als Marktbrunnen in den Stadtzentren, denen sich seit dem 15. und 16. Jh. frisches Wasser in Wasserkünsten zuleiten ließ. Zisternenbrunnen entstanden in Gebieten mit ungünstiger Grund- und Oberflächenwasserqualität.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Grundwasserbrunnen waren und sind weit verbreitet in Gebieten mit hoch anstehendem Grundwasser, v. a. im mittleren und nördlichen Niedersachsen. Laufbrunnen waren in Niedersachsen zunächst auf das Hügelland beschränkt, hielten mit Erfindung der Wasserkünste auch in den Städten des übrigen Landes Einzug (z. B. Hildesheim, Celle, Einbeck, Braunschweig, Hannover, Hameln, Lüneburg). Zisternenbrunnen entstanden v. a. in Gebieten mit versalztem oder anmoorigem Grundwasser.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Brunnen im ländlichen Raum werden von den Denkmalbehörden nur in Einzelfällen erfasst und sollten daher dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Grewe (1991), Veh & Rapsch (1998)

Ziehbrunnen in Varbitz, Ldkr. Uelzen (Foto: Christian Wiegand)

Brunnen mit Bornwippe in Nordburg, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)


Forstmeister Michaelis Brunnen von 1920 an der L 560, Ldkr. Göttingen (Foto: Florian Friedrich)

Buhne

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Buhnen sind rechtwinklig zur Uferlinie ins Gewässer gebaute Steinwälle.

Kulturgeschichte:

An der Küste soll sich zwischen Buhnen Sediment fangen, um Neuland zu gewinnen. An Fließgewässern verstärken die quer zur Fließrichtung angeordneten Buhnen (Querwerke) die Strömung in der Flussmitte, wodurch die Fahrrinne vertieft und der Fluss schiffbar wird.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

An der Nordseeküste und an Flüssen, v. a. im Tiefland

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Buhnen sind i. d. R. neueren Datums und werden von den Behörden nicht erfasst. Relikte historischer Buhnen an ehemals für die Schifffahrt genutzten Fließgewässern sollten dem NHB gemeldet werden. Sie können als Zeugnis historischer Schifffahrt von Bedeutung sein. Einen Hinweis darauf geben historische Landkarten wie die Preuß. Landesaufnahme (um 1900), in denen Buhnen verzeichnet sind.

 

Literaturtipps: Kramer (1989), Kramer & Rohde (1992), Küster (1995), Lüders & Lück (1976)

Buhnen an der Weser, Ldkr. Holzminden (Foto: Hilko Linnemann)

Buhne an der Wesermündung, Wurster Nordseeküste, Ldkr. Cuxhaven (Foto: Hilko Linnemann)

Buhne an der Nordsee, Ldkr. Cuxhaven (Foto: Hilko Linnemann)

Damm

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Wall zum Aufstauen von Wasser (Staudamm, vgl.  Deich) oder als Straßen- oder Gleiskörper, früher i. d. R. aus Erde gebildet, seltener aus Baumstämmen ( Flößteich), heute auch aus Beton ( Stausee). In Fließgewässern sind ehemalige Dämme z. T. an Stromschnellen zu erkennen.

 

Kulturgeschichte:

Dämme können bedeutende Zeugnisse der Wasserbau-, Energiegewinnungs-, Transport- und Verkehrsgeschichte sein. Dämme wurden gebaut, um z. B.  Mühl-,  Fisch- oder Flößteiche aufzustauen, um  Polder anzulegen oder um Wasser mittels  Stau­wehre auf  Riesel­wiesen umzuleiten. Sie können auch Relikte historischer  Chausseen oder  Bahnlinien sein.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Historische Dämme sind in allen Teilen Niedersachsens zu erwarten.

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Dämme werden i. d. R. nicht von den Denkmal- oder Naturschutzbehörden erfasst und sollten sie dem NHB gemeldet werden.

Literaturtipps: Groth (1944), Küster (1995)

Deich

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Langgestreckter wall- bzw. dammartiger Erdkörper entlang einer aktuellen oder - bei Schlafdeichen - einer früheren Uferlinie. Früher bestanden Deiche ausschließlich aus Klei, der in  Pütten gewonnen wurde, heute besitzen sie einen Sandkern mit Kleimantel und sind teilweise durch eine Steinpackung o. ä. befestigt. Deiche an der Meeresküste sind Seedeiche, solche an Flüssen heißen Flussdeiche. Schlafdeiche sind historische Deiche, die durch die seewärtige Anlage eines neuen Deiches ihre Funktion weitgehend verloren haben (siehe Abb. in Kap. 1.3.3). Achterdeiche schüt­zen tiefliegendes Marschland vor Überflutungen aus der höhergelegenen Geest. Schardeiche sind Deiche ohne Vorland, d. h. sie liegen unmittelbar am Watt oder am Wasser und sind mit Steinpackungen befestigt. Ein Wasserlauf kreuzt den Deich durch ein  Siel, eine Straße durch einen Deichschart (auch Stö­pe), dessen Stirnseiten i. d. R. durch Mauern aus Beton oder Ziegelsteinen gesichert sind.

 

Kulturgeschichte:

Die ersten Deiche waren ab 1100 n. Chr. sog. Ringdeiche, die mehrere  Wurten miteinander verbanden und das dazwischen liegende Land umschlossen. Indem abschnittweise eingedeichte Gebiete miteinander verbunden wurden, entstand im 13. Jahrhundert allmählich die Seedeichlinie, die die gesamten Marschgebiete der Nordseeküste schützte. Da Deiche die natürliche Entwässerung des eingedeichten Landes bei Hochwasser unterbinden, musste man  Siele,  Gräben und  Schöpfwerke anlegen. Außerhalb der Deichlinie wurden durch Landgewinnung immer wieder neue Flächen hin­zugewonnen, die durch neue Deiche zu schützen waren. Die alten Deiche fielen dabei oft der Gewinnung von Kleimaterial zum Opfer.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Deiche prägen die Landschaft entlang der Nordseeküste und an den Auen der großen Flüsse Elbe, Weser und Ems sowie an deren Nebengewässer.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Deiche sind vielerorts von den archäologischen Denkmalbehörden erfasst und vom NLD ins Verzeichnis der Kulturdenkmale aufgenommen. Einzelne Deiche und Deichscharts können dabei übersehen worden sein und sollten dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Janßen (1992), Kramer (1989), Kramer & Rohde (1992), Lüders & Lück (1976), Ohling (1963), Rast (1996)

Schlafdeich bei Oldendorf, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

Mittelalterlicher Deich, Gemarkung Engerhafe, Ldkr. Aurich (Foto: Axel Heinze)

Flussdeich "Allerdamm Bannetze", Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Deich an der Aller in Winsen. Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Schlafdeich Westerburer Polder, Ldkr. Aurich (Foto: Axel Heinze)

Flußdeich an der Leda, Ldkr. Leer (Foto: Susanne Sander-Seyfert)

Flößereirelikte

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Flößerei ist der Transport von zusammengebundenen Baumstämmen auf einem Fluss. Sichtbare Relikte können Flößteiche (Schwellweiher) sein, in denen Wasser mit Hilfe von  Wehren gestaut wurde, um die gefällten Stämme bei Bedarf auf einer Flutwelle in einem Bach oder Flößgraben zu Tal zu schwemmen. Am Ufer ei­nes größeren Flusses wurden sie an Holzsammelplätzen gelagert, an Floß(binde)plätzen im seichten Wasser zu Flößen gebunden und so zu den Absatzmärkten flussabwärts befördert.

 

Kulturgeschichte:

Die Flößerei diente in erster Linie der Versorgung der Städte und Schiffswerften im baumarmen Tiefland mit Holz aus den waldreichen Mittelgebirgen. Neben Holz wurden allerlei Waren auf dem Floß zu Tal befördert und am Zielort verkauft. Auf der Weser kam die gewerbsmäßige Flößerei erst 1965 zum Erliegen. Zusammen mit dem Rückmarsch von Bremen waren die Flößer früher rund drei Wochen unterwegs.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

In Niedersachsen war die Flößerei besonders an Weser und Elbe verbreitet.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Flößteiche und -gräben sowie Holzsammel- und Floß­bin­deplätze werden kaum von den Denkmal- oder Naturschutzbehörden erfasst. Als Relikte eines ehemals regionaltypischen Wirtschaftszweiges sollten sie dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Delfs (1952)

Bindestelle Lange Winkel, Winsen/Aller, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Ottens Bindestelle, Winsen/Aller, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Floßnachbau an der Örtze in Eversen, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Furt

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Furten sind flache Stellen eines Fließgewässers, die natürlich vorhanden oder künstlich durch Aufweitung des Bach- oder Flußbettes geschaffen wurden. Sie stehen oder standen immer in direktem Zusammenhang mit einer Wegeverbindung.

 

Kulturgeschichte:

Furten sind die ältesten Möglichkeiten zur Überquerung von Fließgewässern und waren nicht selten Ausgangspunkt wichtiger Siedlungsgründungen an größeren Flüssen. Sie wurden später vielerorts durch Brücken oder Fähren ersetzt.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Furten sind selbst an untergeordneten Wegen infolge zuneh­mender Verrohrung von Fließgewässern selten geworden.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Furten sollten dem NHB gemeldet werden. In Einzelfällen können sie die Voraussetzungen eines Kultur- oder Naturdenkmals erfüllen. Einen Hinweis auf Furten geben historische Landkarten wie die Preuß. Landesaufnahme (um 1900), in denen sie verzeichnet sind.

 

Literaturtipps: Küster (1995)

Wulmbeck Furt, Wietze, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Postförth am Hahnenbach, Ldkr. Heidekreis (Foto: Florian Friedrich)

Furt Amelgatzen, Ldkr. Hameln (Foto: Christian Wiegand)

Graben

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Gegrabene, linienförmige Vertiefung zur Ab- oder Zuleitung von Wasser. Je nach Funktion unterscheidet man Bewässerungsgräben zur Wasserzuführung ( Rieselwiese) und Entwässerungs- bzw. Drainagegräben (Vorfluter; in der Marsch: Tief oder Leide) zur Entwässerung feuchter Gebiete. Daneben gibt es Mühlgräben, Pochgräben und andere Gräben zur Versorgung von Wasserkraftanlagen,  Flößgräben zum Transport gefällter Baumstämme, Grenzgräben (auch in Verbindung mit  Land­weh­ren) zur Abgrenzung von Herrschaftsbereichen oder Gräften als Wassergraben rings um Schlösser und Parkanlagen.

 

Kulturgeschichte:

Die kulturgeschichtliche Bedeutung eines Grabens hängt ab von Art und Alter der früheren Nutzung. Gräben können z. B. Relikte historischer Wirtschaftsweisen (z. B. Wiesenberieselung, Flößerei) oder Zeugnisse der Kultivierung von Hoch- und Niedermooren sein ( Hochmoorkultur und  Moordammkultur). Besondere Beachtung verdient das Oberharzer Wasserregal, ein System aus 500 km Gräben und über 120 Teichen zur Versorgung der wasserradgetriebenen Pumpen, Eisenhämmer u. v. m.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Entwässerungsgräben zählen v. a. in Feuchtgebieten zu den prägenden Landschaftselementen. Bewässerungsgräben, Mühlgräben, Grenzgräben und Flößgräben haben ihre Funktion vielerorts verloren und sind überprägt, verlandet oder zuge-schüttet.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Gräben mit Bedeutung für den Naturschutz werden i. d. R. durch die Naturschutzbehörden erfasst. Kulturgeschichtliche Bedeutungen von Gräben sind den Denkmal- oder Naturschutzbehörden nur in Einzelfällen bekannt und sollten daher dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Groth (1944), Küster (1995), Schmidt (1989), Schröder (1950)

Graben Harzer Wasserregal, Lauthental, Ldkr. Goslar (Foto: Christian Wiegand)

Staugraben Altenhäger Wiesen, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Herrengraben Neue Wiesen, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Grenz- und Entwässerungsgraben Grovebach, Tewel, Ldkr. Heidekreis (Foto: Florian Friedrich)

Hafen

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Anlage zum Liegen, Beladen und Löschen von Schiffen. In der Regel gehört zu einem Hafen ein natürliches oder künstlich geschaffenes Hafenbecken oder ein von Natur aus sehr flaches Ufer, auf das die Schiffe gezogen werden konnten. Man unterscheidet a) an der Meeresküste gelegene Seehäfen, b) Binnenhäfen an Flüssen und Seen und c) Sielhäfen an  Sielen als Umschlagplatz zwischen Binnen- und Seeschifffahrt.

 

Kulturgeschichte:

Natürliche Häfen hatten vielerorts eine große Bedeutung für die Entwick­lung einer Siedlung. Meist wurden wichtige Häfen weiterentwickelt zu modernen Anlagen, die weiterhin in Betrieb sind.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Historische, aufgegebene Häfen in der unbesiedelten Land­schaft sind selten. Oft sind sie an ihrem Hafenbecken samt ehemaligen Hafengebäuden oder auch nur an einer einfachen Verbreiterung des Flusslaufes zu erkennen.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Häfen, von denen noch bedeutende Bausubstanz erhalten ist, werden i. d. R. von den Denkmalbehörden erfasst. Historische Häfen, die nur noch an Gelände- bzw. Uferformen in der Landschaft erkennbar sind, bleiben meist unberücksichtigt und sollten dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Küster (1995), Schultze (1962)

Hafen Neuharlingersiel, Ldkr. Wittmund (Foto: Christian Wiegand)

Historische Hafenanlage Holzminden (Foto: Gerhard Friedrich)

Kanal

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Verkehrsweg für Schiffe zwischen natürlichen Gewässern. Kanäle können auch zur Ent- oder Bewässerung dienen oder als Flutkanal durch Umleitung von Fließgewässern zum Hochwasserschutz. Ein Kanal als Schifffahrtsweg muss ausreichend breit sein oder Ausweichstellen aufweisen, damit zwei Schiffe einander passieren können. Höhenunterschiede im Gelände werden mit Hilfe von  Schleusen oder Schiffshebewerken überbrückt. Fleete sind schiffbare Kanäle innerhalb von Städten (niederländisch Gracht) oder größere Entwässerungsgräben im Marschland. Ein Fehnkanal (auch Wiek) dient der Erschließung einer Moorkolonie. Ein den Kanal kreuzendes Fließgewässer wird in einem Düker, eine unterirdische Rohrleitung, unter dem Kanal hindurch geführt (Prinzip der kommunizierenden Röhren).

 

Kulturgeschichte:

Vor allem in ebenen Marschgebieten gehören Kanäle und  Tiefs zu den häufigsten und prägendsten Landschaftselementen. Seit dem Mittelalter oder der frühen Neuzeit dienen sie dort nicht nur der Entwässerung, sondern ermöglichen auch einen küstenparallelen Schiffsverkehr. Die bedeutendsten niedersächsischen Kanäle der jüngeren Geschichte sind der Ems-Jade-Kanal (1880-87), der Dortmund-Ems-Kanal (1892-99), der Mittellandkanal (1906-16 und 1918-38) und der Elbeseitenkanal (1976). Historische Flutkanäle sollten vor allem Stadtzentren vor Überschwemmungen schützen, z. B. der Schnelle Graben in Hannover (1651) oder der Fuhsekanal bei Celle (1766-69). Ein bedeutender Bewässerungskanal ist z. B. der Meliorationskanal bei Bruchhausen-Vilsen (1882-89), mit dem fruchtbares Weserhochwasser zur Düngung herbeigeführt wurde.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Kanäle sind in Niedersachsen v. a. in ebenen Gebieten der norddeutschen Tiefebene verbreitet.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Kanäle und deren Einrichtungen (Wehre, Schleusen) werden nur in Einzelfällen von den Denkmalbehörden erfasst. Sie sollten dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Groth (1944), Küster (1995), Ohling (1963)

Fehnkanal Großefehn, Ldkr. Aurich (Foto: Axel Heinze)

Ems-Jade-Kanal bei Hohenesche mit Wendestelle und Deichen, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

Torfschiffgraben Westercelle (Foto: Florian Friedrich)

Torfschiffgraben Sülze, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Fuhsekanal, Celle/Wietzenbruch (Foto: Florian Friedrich)

Altes Klostertief von 1200, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

Ehemaliger Hochkanal Benser Tief, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

Kanal Holterfehn, Ldkr. Leer (Foto: Susanne Sander-Seyfert)

Kolk

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Ein Kolk (regional auch Brack, Brake, Heete oder Wehl genannt) ist eine tiefe Auswaschung der Sohle eines Wasserlaufs oder des gewachsenen Bodens durch strömendes Wasser infolge eines Deichbruchs. Als Kolk wird aber auch ein im Zentrum eines Hochmoores gelegener See bezeichnet.

Kolke sind i. d. R. an historischen Deichlinien als (wassergefüllte) Senken zu erkennen oder an Vertiefungen und Verbreiterungen in  Tiefs oder anderen Vorflutern. Gegenüber  Pütten unterscheiden sich Kolke dadurch, dass der notwendig gewordene neue Deich oft im Bogen herum herumgeführt wurde.

 

Kulturgeschichte:

Kolke sind so alt wie Deiche und gehen auf das Hochmittelalter zurück. Die berüchtigtsten Sturmfluten mit Deichbrüchen und Kolken waren die Marcellusflut (16.1.1362), die Antoniflut (17.1.1511) und die Weihnachtsflut (25.12.1717). Dagegen hielten die Seedeiche den Sturmfluten 1962 und 1976 stand.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Kolke liegen immer in der Nähe von (historischen) Deichlinien.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Kolke werden i. d. R. nicht von den Denkmal- oder Naturschutzbehörden erfasst. Sie sind als Relikte des historischen Küstenschutzes von kulturgeschichtlicher Bedeutung und sollten dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: DVWK (1992), Kramer (1989), Lüders & Lück (1976), Ohling (1963), Rast (1996)

Schlafdeich mit Kolk von 1625, Ldkr. Aurich (Foto: Axel Heinze)

Kolk südl. Altharlingersiel, vor 1670, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

Polder

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Polder (Binnendeichsland, Koog, Groden) sind eingedeichte ( Deich) ehemalige Gewässer­böden, die bei Überflutung durch Meeres- oder Flussablagerungen erhöht wurden. Vor der Eindeichnung kann der Land­anwachs durch Lahnungen gefördert werden, das sind quer oder schräg zur Abflussrichtung des Wassers angebrachte, mit Buschwerk gestopfte Pfahlreihen. Zusammen mit Grüppen bzw. Schloten (parallele Entwässerungsgräben), deren Aushub den Land­anwachs ebenfalls fördert, verleihen Lahnungen dem Polder eine beetartige Oberflächenstruktur. Nach der Eindeichung wurden bzw. werden Polder besiedelt und landwirtschaftlich genutzt. Sie müssen in der Regel durch  Schöpfwerke und  Siele entwässert werden. Weil sich der Boden in Folge dessen zusammenzieht und senkt, ist in Poldern das Bodenniveau gegenüber dem Deichvorland oft niedriger.

 

Kulturgeschichte:

Polder sind ein kulturgeschichtliches Zeugnis der Landgewinnung und prägen zusammen mit ihren Lahnungen und Grüppen, den Deichen, Sielen und Schöpfwerken die Küstenlandschaft. Die Fruchtbarkeit der mit Sand vermischten Schlickablagerungen spiegelt sich in großen Hofanlagen und prächtigen Bauernhäusern wider.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Im gesamten Marschgebiet

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Polder werden zusammen mit historischen Deichen von den archäologischen Denkmalbehörden erfasst und sollten im Zweifelsfall den Behörden gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Lüders & Lück (1976), Ohling (1963), Rast (1996)

Dammspolder mit Hof Dammsruh von 1760, Ldkr. Aurich (Foto: Axel Heinze)

Westerburer Polder, Gemeinde Dornum, Ldkr. Aurich (Foto: Axel Heinze)

Pütte

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Eine Pütte (Püttloch) ist eine meist außendeichs, seltener binnendeichs gelegene wassergefüllte Senke (vgl.  Kolk), die durch die Entnahme von Klei zum Deichbau entstanden ist (auch Saarteich, in Schleswig-Holstein Späthing). Eine andere Bedeutung von Pütte ist ein durch  Torfstich entstandenes Gewässer.

 

Kulturgeschichte:

Um das fruchtbare Grodenland zu schonen, wurde Kleierde wenn mög­lich außendeichs gewonnen. Dort, wo dies nicht möglich war (z. B. hinter  Schardeichen), mussten die Pütten zur Vermeidung längerer Transportwege binnendeichs angelegt werden. Sie verlanden nur sehr langsam und sind so schon seit Jahrhunderten charakteristische Kulturland­schaftselemente.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Entlang der bedeichten Küstenlinie

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Pütten bzw. Saarteiche sollten dem NHB ge­meldet werden.

 

Literaturtipps: Landmann (1997), Lüders & Lück (1976), Ohling (1963)

Kleipütten, Gemeinde Krummhörn, Ldkr. Aurich (Foto: Axel Heinze)

Kleipütte an der Leda, Ldkr. Leer (Foto: Susanne Sander-Seyfert)

Rottekuhle

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Eine Rottekuhle (auch Flachsteich, Flachsröste) ist ein kleinflächiges (20 – 100 m2) und i. d. R. flachgründiges Gewässer. Gebräuchlich waren klei­ne Teiche und Kuhlen, Bäche, Gräben oder aus mehreren aneinandergereihten Rottekuhlen bestehende Gemeinschaftsanlagen.

 

Kulturgeschichte:

Die Herstellung von Leinen hatte in weiten Teilen Niedersachsens jahrhundertelang große Bedeutung. Ein wichtiger Arbeitsschritt war Rotten oder Rösten der Flachs- bzw. Leinpflanzen. Dabei wurden die Stengel entweder auf Wiesen ausgebreitet (Tauröste) oder zum Aufweichen in Rottekuhlen gelegt. Bei beiden Methoden ließen sich die langen Leinfasern nach einigen Wochen leicht vom Stengel lösen und wurden in zahlreichen weiteren Arbeitsgängen zu Leinen weiterverarbeitet. Ein Arbeitsgang war das Bleichen, wobei das Leinen tagelang auf einer Wiese (Bleiche) ausgelegt wurde. In einer  Bleichhütte wohnte ein Knecht, der die Leinenstücke zu bewachen und mit Wasser zu benetzen hatte. Je nach Güte wurde Leinen eingeteilt in Tisch-, Haushalts- oder Sackleinen. Wegen erheblicher Geruchs- und Gewässerverunreinigungen sind bereits aus dem 17. Jh. Edikte zum Schutz der Gewässer vor den Schäden des Flachsrottens bekannt, die u. a. zum Schutz der Fischereinutzung erlassen wurden.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Die Leinenherstellung erfordert neben Wasservorkommen zur Aufbereitung recht gute Bodenverhältnisse für den Anbau von Lein und war in Niedersachsen v. a. in Börden, im Hügelland oder in fruchtbaren Gebieten der Geest verbreitet. Rottekuhlen gab es dort an fast jedem Hof bzw. in jedem Dorf. Nach Aufgabe der historischen Nutzung sind viele verlandet oder wurden verfüllt. Heute sind sie, gemessen an ihrer früheren Häufigkeit, sehr selten geworden.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Rottekuhlen werden i. d. R. nicht erfasst und sollten dem NHB gemeldet werden. Als Kleingewässer können sie bei entsprechender Ausprägung die Merkmale eines besonders geschützten Biotop nach § 28a NNatG erfüllen.

 

Literaturtipps: Bauer (1999), Freckmann et al. (1979), Hermann (o. J.), Küster (1995), Krüger (1986)

Einlagerung einer Flachsröste/Rottekuhle um 1910 im Ravensberger Land

Ehemalige Flachsrottekuhlen, Ldkr. Peine, Gemarkung Klein Gleidingen (Foto: Florian Friedrich)

Schleuse

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Anlage zur Überwindung von Höhenunterschieden in  Kanälen oder kanalisierten Flüssen. Eine Schleuse besteht aus einer beidseitig durch zwei Schleusentore befahrbaren Schleusenkammer. Durch Einströmen bzw. Abpumpen des Was­ser wird der Wasserstand der Schleusenkammer und das darin liegende Schiff gehoben bzw. gesenkt. Die Bezeichnung Stauschleuse kann auch  Wehr meinen.

 

Kulturgeschichte:

Historische Schleusen sind Zeugnisse der Erschließung des Landes für den Wasserverkehr.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Schleusen sind in bestimmten Abständen notwendig, um das unterschiedliche Bodenniveau zwischen Kanal und Umgebung auszugleichen. Sie kommen daher an allen Wasserstraßen mehr oder weniger häufig vor.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Schleusen werden von den Baudenkmalbehörden erfasst und bei entsprechender Bedeutung in die Liste der Kulturdenkmale aufgenommen, z. B. die Hindenburgschleuse am Mittellandkanal in Hannover-Anderten. Kleinere historische Schleusen an unbedeutenderen Kanälen bleiben dabei oft unberücksichtigt und sollten dem NHB oder den Behörden gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Lüders & Lück (1976), Ohling (1963)

Schleuse Neuefehn, Ldkr. Leer (Foto: Axel Heinze)

Schleuse Westgroßefehn, Ldkr. Aurich (Foto: Axel Heinze)

Schleuse und Mühle Jheringsfehn um 1900, Ldkr. Leer (Quelle: K.-H.-Wiechers-Stiftung)

Emssperrwerk Gandersum, Ldkr. Leer (Foto: Katharina Killmann)

Verlaat (Schleuse) Rhauderfehn, Ldkr. Leer (Foto: Katharina Killmann)

Schöpfwerk

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Einrichtungen an der Küste oder in Flusslandschaften zur Entwässerung tief liegender Flächen (z. B.  Polder). Schöpfwerke dienen dazu, Grabenwasser auf höheres Niveau zu befördern, von wo aus es auf natürliche Weise durch  Siele ins Meer abfließen kann. Neben großen Mündungsschöpfwerken gibt es auch Binnenschöpfwerke, die in  Tiefs entwässern.

 

Kulturgeschichte:

Historische Schöpfwerke hatten mit Windkraft angetriebene archimedische Schrauben (Wasserschöpfmühlen). Im 19. Jh. kamen Schöpfwerke auf, die das Wasser unabhängig von Ebbe und Flut abpumpen können (Pumpwerk). Anfangs wurden sie mit Dampfkraft betrieben, später mit Elektromotoren.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Schöpfwerke sind entlang der gesamten Nordseeküste zu finden. Allein in Ostfriesland gab es im 19. Jh. weit über 100 Exemplare. Heute sind die meisten verschwunden.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Schöpfwerke sind von der Baudenk­malpflege erfasst. Pumpwerke werden weniger systematisch und nur in Einzelfällen erfasst. Erhaltenswerte Exemplare sollten dem NHB oder den Denkmalbehörden gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Brune (1987), Lüders & Lück (1976), Ohling (1963), Rast (1996)

Schöpfwerk Wagnersfehn, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

Schöpfwerk Dosewieke, Rhauderfehn, Ldkr. Leer (Foto: Katharina Killmann)

Schöpfwerk Schatteburg, Rhauderfehn, Ldkr. Leer (Foto: Susanne Sander-Seyfert)

Seezeichen

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Gut sichtbare und unterschiedlich gekennzeichnete Anlagen zur Ortsbestimmung und Kursweisung für Schiffe. Man unterscheidet schwimmende (Tonnen und Feuerschiffe) und feste Seezeichen: Leuchttürme, Baken (vierbeiniges, hölzernes Gerüst zur Peilung), Dalben (im Wasser eingerammte Pfahlgruppe), Stangen und Pricken (fest im Wattboden steckende Bäumchen). Außerdem dienten Hauben auf Kirchtürmen zur Orientierung.

Kulturgeschichte:

Der älteste bekannte Leuchtturm der Antike war der Pharos von Alexandria (277 v. Chr. erbaut). Der älteste deutsche Leucht­turm ist der von Travemünde (1539 bis 1972 in Betrieb). Die Hansestädte Bremen und Hamburg kennzeichneten mit Tonnen und Baken ihre Hafenzufahrten durch Weser und Elbe. Mitte des 19. Jh. entwickelte sich mit aufkommender Dampfschifffahrt ein geordnetes Seezeichenwesen mit starker Zunahme an See­zeichen entlang der gesamten Küste. Heute sind Leuchttürme und andere Seezeichen typische Wahrzeichen der Küstenlandschaft.

Vorkommen/ Verbreitung:

Auf See, an allen Küstengewässern, Flussmündungen und Hafeneinfahrten.

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Leuchttürme und Baken werden von den Denkmalbehörden erfasst und i. d. R. als Baudenkmal in das Ver­zeich­nis der Kulturdenkmale aufgenommen.

Literaturtipps: Lüders & Lück (1976)

Kugelbake, Cuxhaven (Foto: Gerhard Friedrich)

Siel

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Verschließbarer Durchlass im Deich zur Entwässerung des eingedeichten Landes. Bei Ebbe öffnen sich die Sieltore durch die Strömung, und das Wasser fließt aus dem Hauptvorfluter (Tief, Sieltief, siehe auch  Graben) ins Meer. Bei Flut werden die Tore durch den Druck des auflaufenden Wassers automatisch geschlossen. In der Regel fließt das Wasser durch eine Art Tunnel, offene Siele sind selten, sie kommen am ehesten in Zusammenhang mit Häfen vor.

 

Kulturgeschichte:

Siele wurden im Zuge der Eindeichung (13. Jh.) notwendig. Die ersten Siele waren provisorisch verschließbare Röhren, sie wurden im 14. Jh. durch Klappensiele, im 15. Jh. durch Torsiele ersetzt. Seit dem 17. Jh. wird der bis dahin mit einer Holzkonstruktion gesicherte Durchlass gemauert. An neuzeitlichen Sielen entstanden als Umschlagplatz von der See- zur Binnenschiffahrt Sielhäfen.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Im gesamten küstennahen Marschgebiet. In Flussmarschen kommen noch zahlreiche kleinere Siele der direkt in den Fluss mündenden kleineren Wasserläufe vor.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Siele werden von der Denkmalpflege erfasst (Brettschneider & Nieße 1982). Kleinere Siele in der zweiten Deichlinie oder in den Flussmarschen können dabei unberücksichtigt geblieben sein und sollten dem NHB oder den Denkmalbehörden gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Lüders & Lück (1976), Ohling (1963), Rast (1996)

Altes Siel am Schatteburger Sieltief, Ldkr. Leer (Foto: Katharina Killmann)

Siel- und Schöpfwerk Holter Tief, Ldkr. Leer (Foto: Katharina Killmann)

Sieltor Esklum, Ldkr. Leer (Foto: Katharina Killmann)

Verschlicke Schleusentore am Holter Schöpfwerk, binnenseits, Ldkr. Leer (Foto:Katharina Killmann)

Holter Sieltief bei Rhauderfehn, Ldkr. Leer (Foto: Susanne Sander-Seyfert)

Teich

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Künstliches Stillgewässer (auch Weiher) zur Ansamm­lung von Wasser. In der Regel verhindert eine Staueinrichtung in Form eines  Dammes oder eines  Wehres den Abfluss. Dagegen ist ein See ein natürliches Gewässer (Ausnahme: Stausee). Je nach Funktion unterscheidet man: Mühlteiche als Energiespeicher für  Was­ser­mühlen, Stau- oder Bergwerksteiche zum Antrieb von Wasserrädern im Bergbau, Schwellweiher oder Flößteiche ( Flößereirelikte), Feuerlöschteiche zum Vorhalten von Löschwasser, Färberteiche zum Färben von Textilien, Salinenteiche zum Sammeln der Sole ( Saline), Winterlaken als Kleingewässer zur Eisgewinnung, Talsperren zur großräumigen Wasserversorgung, Hülben zur lokalen Wasserversorgung einer Siedlung (vor allem in Kalkgebieten),  Fischteiche zur Fischzucht,  Enten­fän­ge,  Rottekuhlen u. v. m. Oft sind Teiche auch für Badeanstalten genutzt oder gezielt ausgebaut worden. Je nach Alter und Erhaltungszustand können historische Teichanlagen vollständig oder nur in Relikten erhalten sein.

 

Kulturgeschichte:

Teiche und Weiher wurden und werden seit Jahrhunderten und für vielfältige Zwecke angelegt. Zur Fischzucht und zum Antrieb von Wassermühlen waren sie z. B. schon im Mittelalter bekannt. Im Harz und anderen Montanregionen gehören sie zu den charakteristischen landschaftlichen Zeugnissen des historischen Bergbaus. Hier speicherten sie Wasser zur Erzwäsche oder dienten als Energievorrat für Wasserräder, z. B. um Blasebalge eines Schmelzofens oder Hämmer eines Hammerwerkes anzutreiben.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Teiche und Kleingewässer waren - wie historische Landkarten beweisen - früher viel häufiger als heute. Nach Aufgabe ihrer Nutzung sind viele Teiche aufgegeben worden. Einige wurden verfüllt, andere sind auf natürliche Weise verlandet.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Historische Teiche werden in Niedersachsen nicht systematisch erfasst (außer Bergbaugewässer im Harz). Den Naturschutzbehörden sind zwar i. d. R. Gewässerbiotope bekannt, oft jedoch nicht in ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung. Daher sollten Teiche mit kulturgeschichtlicher Bedeutung bzw. deren Relikte dem NHB gemeldet werden. In naturnaher Ausprägung können sie die Bedingungen eines nach § 28a NNatG besonders geschützten Biotops erfüllen.

 

Literaturtipps: Konold (1987), Küster (1995), Schmidt (1989)

Dorfteich Scheuen, Stadt Celle (Foto: Florian Friedrich)

Meißendorfer Teiche, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Teich am Kloster Loccum, Ldkr. Nienburg/Weser (Foto: Hilko Linnemann)

Wassermühle

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Mit Wasserkraft betriebene Anlage zum Mahlen von Getreide oder zum Antrieb technischer Anlagen (z. B. Sägewerk, Erzwäsche, Pochhammer). Man unterscheidet Mühlen, bei denen das Wasser über das Mühlrad läuft (oberschlächtig) von mittel- und unterschlächtigen Mühlen, bei denen das Wasser in der Mitte bzw. unterhalb der Mitte auf das Wasserrad trifft. Mögliche Nebenanlagen einer Wassermühle sind:

  • Mühlteich zur Wasserspeicherung
  •  Stauwehr zur Regulierung des Wasserstandes
  • Mühlgraben zur Wasserzuleitung (siehe Abb. Kap. 1.4.1). In Tälern folgen Mühlgräben nicht dem steilsten Gefälle, sondern verlaufen am Talrand, um so eine große Fallhöhe des Wassers auf das Mühlrad zu erzielen. In der Ebene kann der Mühlgraben auf einem künstlichen Damm der Mühle zugeführt werden, der sich allmählich „erhebt“, um auf diese Weise die gewünschte Fallhöhe zu erzielen (siehe Abb.).
  • Mühlgang oder Gerenne, eine hölzerne oder steinerne Rinne, die das Wasser von oben auf das Mühlrad fallen lässt,
  • ein künstlich aufgebänkter Mühlgraben, in dem das Wasser über einen Damm o. ä. der Mühle zugeleitet wurde, um eine ausreichende Fallhöhe zu erhalten (v. a. in der Ebene, bei unzureichendem Gefälle)

 

Kulturgeschichte:

Wassermühlen wurden in Niedersachsen im 8. und 9. Jh. zum ersten Mal urkundlich erwähnt und sind stellenweise noch heute in Betrieb. Besonders günstig waren wasserreiche Gebiete mit hinreichendem Gefälle. Die schweren Mühlräder wurden seit Mitte des 19. Jahrhunderts oft gegen Turbinen getauscht, die eine höhere Energieausnutzung ermöglichen. Dienten Wasserräder zunächst nur zum Mahlen von Getreide, wurden mit ihnen später auch Blasebälge, Schmiedehämmer und Hammerwerke zur Eisenverhüttung betrieben. Außerdem gab es Sägemühlen, Walkmühlen (Filzherstellung), Lohmühlen (Gerbstoffgewinnung), Ölmühlen, Schrot- und Häck­selmüh­len, Papiermühlen, Pulvermühlen, Mergelmühlen Gipsmühlen und Knochenmühlen u. v. a.

In Mühlregalen war das spezielle Recht von Wasser- und Windmühlen Jahrhunderte lang verankert. Danach oblag es dem Landesherrn den Bau einer Mühle zu genehmigen. Er konnte auch Zwangsmühlen festlegen, deren Benutzung für alle Bauern eines Gebietes obligatorisch war. Erst im 19. Jh. wurden die Beschränkungen aufgehoben (Gewerbefreiheit, Aufhebung der Zwangsmühlen), und Wind- und Wassermühlen nahmen an Zahl stark zu. In den 1950er und 1960er Jahren sind dann die meisten Betriebe still gelegt worden, u. a. begünstigt durch staatliche Prämien (Mühlenstilllegungsgesetz von 1957).

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Wassermühlen und ihre wasserbaulichen Anlage sind gemessen an ihrer früheren Häufigkeit selten geworden. Vielerorts sind sie aber noch vorhanden, wenn auch in unterschiedlich gutem Erhaltungszustand.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Wassermühlen werden von den Baudenkmalbehörden systematisch erfasst. Oft bleiben dabei ihre wasserbaulichen Anlagen unberücksichtigt. Historische Mühlwehre, Dämme, Mühlteiche, Mühlgräben, Mühlgänge und Gerenne sollten daher dem NHB ge­meldet werden.

 

Literaturtipps: Kleeberg (1978), Möl­ler (1984), Weßling (2000)

Wassermühle an der Aschau in Beedenbostel, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Mühlgraben Lauenberg, Ldkr. Northeim (Foto: Christian Wiegand)

Mühlenkolk einer ehemaligen Sägemühle, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

Wehr

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Ein Wehr (auch Stauwehr) ist ein Bauwerk zur Regulierung des Wasserstandes in einem Fließgewässer, einem  Kanal oder einem  Teich. Mehrere Wehre bilden eine Stauanlage. In der Regel weist ein Wehr an den Ufern und der Sohle des Gewässers Fundamente auf, an denen feste oder bewegliche Verschlüsse zur Regulierung des Wasserstandes angebracht sind. Mit einem Pegel, einer Messleiste, lässt sich der Wasserstand ermitteln. Der verbreitetste Wehrtyp war bis in die 1920er Jahre das Schützenwehr, bei dem mit Zahnstangen betriebene Tafeln den Wasserstand regulierten. Beim Walzenwehr waren die Tafeln später durch bewegliche Rollen ersetzt. Bei einem Streichwehr ließ man das Wasser über eine schiefe Ebene abwärts fließen, um das Wehrfundament zu schonen. Spezielle Wehrtypen sind z. B. das Nadelwehr, bei dem zum Aufstauen zahlreiche Kanthölzer senkrecht in eine Metallvorrichtung gestellt wurden, und der im Teufelsmoor verbreitete Klappstau, der sich unter einem vorbeifahrenden Boot nach unten klappen ließ.

 

Kulturgeschichte:

Wehre und Stauanlage können als Relikte des historischen Gewässer-baus von Bedeutung sein, z. B. als Bestandteile einer  Wassermühle oder einer  Be­wäs­serungswiese.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

landesweit

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Hinweise auf historische Wehre und Stauanlagen können historische Karten wie die Preußische Landesaufnahme geben. Von den Denkmalbehörden werden sie nur in Einzelfällen erfasst. Historische Wehre und Stauanlagen sollten daher dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Konold (1987), Küster (1995)

"Herrenschleuse" an der Meiße, Ldkr. Celle (Foto: Florian Friedrich)

Wurt

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Eine Wurt (Wierde im Land Wursten, Warft in Schl.-H., Terpe in NL) ist ein künstlich aus Klei gebauter Hügel, auf dem Gebäude vor Hochwasser geschützt sind. In einem kleinen auf der Wurt angelegten Teich (in Schleswig-Holstein Fething) wurde Trinkwasser für Mensch und Vieh gespeichert. Stellenweise ist an Wurten Erdmaterial nachträglich wieder abgebaut worden.

 

Kulturgeschichte:

Wurten waren die ersten Einrichtungen zum Hochwasserschutz von Siedlungen. Einige Wurten entstanden bereits in der Römischen Kaiserzeit, die meisten stammen aus dem Mittelalter. Erst später gingen die Menschen daran, die gesamte Küstenlinie durch zusammenhängende  Deiche zu schützen.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

In Marschgebieten, auch in Flussmarschen.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Sowohl bewohnte als auch verlassene Wurten werden von den archäologischen Denkmalbehörden erfasst und vom NLD ins Verzeichnis der Kulturdenkmale aufgenommen. Historische Abgrabungsstellen und Fethinge bleiben hierbei oft unberücksichtigt und sollten dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Lüders & Lück (1976), Rast (1996)

Unbewohnte Warft südlich von Dornum, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.