Siedlungsformen

Abri

 

 

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Ein Abri ist ein natürlich entstandenes, durch unterschiedliche Gesteinshärte herausgewittertes Felsdach. Eine Höhle ist ein natürlicher, von Menschen begehbarer Hohlraum im Gestein.

 

Kulturgeschichte:

Abris und Höhlen dienten den Menschen v. a. in vorgeschichtlicher Zeit (vereinzelt noch im Mittelalter) als Wohn-, Rast- oder Zufluchtsort, z. T. auch als Kultstätte. So nutzten altsteinzeitliche Rentierjäger die sogenannte Steinkirche bei Scharzfeld im Ldkr. Göttingen als Rastplatz. Später war sie Wohnhöhle und im Mittelalter diente sie der Bevölkerung als Kirche.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

In den Felsgebieten Niedersachsens v. a. im westlichen Harzvorland, im Bergland östlich der Weser bei Hameln und östlich der Leine bei Göttingen.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Abris und Höhlen werden von den archäologischen Denkmalbehörden erfasst und vom NLD ins Verzeichnis der Kulturdenkmale aufgenommen.

 

Literaturtipps: Grote (1988), Möller (1984)

Abri Scharzfeld, Ldkr. Göttingen (Foto: Christian Wiegand)


Abri Scharzfeld, Ldkr. Göttingen (Foto: Christian Wiegand)

Höhle bei Abri Scharzfeld, Ldkr. Göttingen (Foto: Christian Wiegand)

Arbeitersiedlung

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Gruppe von Wohnhäusern, meist regelmäßig angelegt und in gleicher Bauart (meist kleine Grundrisse, max. 3 Stockwerke) und einheitlichem Baustil (z. B. Historismus, Jugendstil, neue Sachlichkeit) in der Nähe industrieller oder bergbaulicher Produktions­stätten.

 

Kulturgeschichte:

In den letzten Jahrzehnten des 19. und den ersten des 20. Jh. wuchs im Zuge der Industrialisierung in vormals landwirtschaftlich geprägten und dünn besiedelten Gebieten der Bedarf an Arbeitskräften stark an. Um den Arbeitern Wohnraum und die Möglichkeit zu bieten, sich von der eigenen Wohnung aus mit Essen zu versorgen, wurden spezielle Arbeitersiedlungen errichtet, oft auf Firmengrund und in einheitlichem Baustil. Heute sind sie wichtige Zeugen der Industrialisierungsgeschichte.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Arbeitersiedlungen liegen i. d. R. in direkter Nachbarschaft zu Bergbau- oder Industriebetrieben des 19. und 20. Jahrhunderts.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Arbeitersiedlungen werden von den Denkmalbehörden erfasst und ins Verzeichnis der Kulturdenkmale aufgenommen.

 

Literaturtipps: Möller (1984), Möller (1985)

Arbeiterhaus "Langer Jammer" in Ziegelei, Ldkr. Celle (Foto: F. Friedrich)

Dorfplatz

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Örtlichkeit innerhalb einer Siedlung. Je nach Zweck unterscheidet man:

  • Versammlungs-, Tanz- oder Festplatz: Ort der Dorfgemeinschaft für Veranstaltungen, oft­mals mit Bäumen (z. B. Linden) umstanden (Baumkranz), manchmal mit einem  Tanz­baum.
  • Tie, Thie, The, Ty oder Tigge (Ostfriesland): Historischer Versammlungsort einer Dorf­ge­meinschaft, wo dörfliches Recht (Sitte) besprochen wurde, i. d. R. zentral an der Kirche oder an einer Straßenkreuzung gelegen, oftmals erhöht, ummauert und/ oder durch Großbäu­me ( Tielinde) betont. Der Tie ist nicht zu verwechseln mit dem  Thing, an dem die höhere Gerichtsbarkeit ausgeübt wurde.
  • Anger: Gemeinschaftliche, meist längliche Grasfläche am Rande oder inmitten eines Dorfes ( Platz­dorf); früher als Weide oder für Veranstaltungen genutzt (Pfingstanger), heute oft bebaut oder gepflastert.

 

Kulturgeschichte:

Der Platz eines Dorfes ist i. d. R. so alt wie das Dorf selbst. Er war und ist Versammlungsort und Treffpunkt, hier finden z. B. Kirmes und Schützenfest statt. Er ist sichtbarer Ausdruck einer Jahrhunderte alten Tradition.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Ties, Tanz- oder Festplätze sind in ganz Niedersachsen be­kannt. In Südniedersachsen hatte sogar beinahe jedes Dorf einen Tie. Anger treten in Ver­bindung mit  Angerdörfern, also v. a. östlich der Elbe auf.

 

Erfassung, Gesetzlicher Schutz:

Dorfplätze werden nur in Einzelfällen von der archäologischen oder von der Baudenkmalpflege erfasst und bei besonderer Bedeutung ins Verzeichnis der Kulturdenkmale aufgenommen. Sie sollten daher dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Möller (1984), zu Tie: Bischoff (1971)

Dorfplatz Golmbach, Ldkr. Holzminden (Foto: Hilko Linnemann)

Der Tie in Bühren, Ldkr. Göttingen (Foto: Jan René Dröscher)

Drubbel

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Ein Drubbel (süddt. Weiler) ist ein kleines  locke­res Haufen­dorf von drei bis fünfzehn, meist fünf bis zehn Bauernhöfen (s. Abb. Kap. 1.5.1). Die einzelnen Hofstellen sind oft von beträchtlicher Größe und liegen i. d. R. ungeordnet beieinander, weshalb später entstandene Ortsdurchfahrten, die sich der Lage der Höfe anpassten, recht kurvenreich sein können. Viele Drubbel liegen nahe einer Quelle oder eines Wasserlaufs in direkter Nachbarschaft zum gemeinsamen Altackerland, dem Esch ( Plaggenesch), weshalb der Drubbel auch Esch- oder Eschranddorf genannt wird.

Heidekolonien weisen keine einheitliche Form auf, bestehen aber ähnlich wie der Drubbel oft aus einer lockeren und unregelmäßigen Anordnung der Bauernhöfe.

 

Kulturgeschichte:

Die ältesten Drubbel gehen mindestens auf das frühe Mittelalter zurück und waren zu dieser Zeit die wohl am weitesten verbreitete Dorfform in Niedersachsen. Der Drubbel bot gegenüber der  Streusiedlung den Vorteil der Nachbarschaftslage zu anderen Höfen und damit der Hilfe in Notsituatio­nen. Vielfach wird im Drubbel die Vorform des durch Verdichtung entstandenen Haufendorfes gesehen.

Heidekolonien zählen wie  Moorhufensiedlungen zu den Planformen des absolutistischen Zeitalters und der späteren Zeit. Sie wurden von der Landesherrschaft in siedlungsarmen Gebieten wie Heiden angelegt (Name!). Wegen der geringwertigen Böden und wegen der Begrenzung durch altbesiedelte Flächen haben sich Heidekolonien kaum wei­ter­entwickeln können, andere sind ganz wieder aufgegeben worden (junge Wüstungen) oder haben als Streusiedlungen überdauert.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

In Landschaften mit nährstoffärmeren Böden (z. B. die Geest) ist die typische Form der Drubbel oftmals erhalten geblieben. Heidekolonien sind auf besonders nährstoffarme Gebiete beschränkt (siehe Abb. „Siedlungsformen“).

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Drubbel werden von den Denkmal- oder Naturschutz­behörden nur selten erfasst. Ihre typische Siedlungsstruktur sollte im Rahmen der Land­schaftsplanung erfasst und ihre Erhaltung durch die Bauleitplanung gewährleistet werden. Im Luft- oder Kartenbild lassen sie sich gut erkennen.

Drubbel Aschen, Ldkr. Osnabrück (Foto: Christian Wiegand)

Haufendorf

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Gedrängte, unregelmäßige Anordnung mehrerer Bauernhöfe umgeben von einer verhältnismäßig ausgedehnten, unbesiedelten Flur. Die Höfe stehen trotz der Enge meist isoliert, haben i. d. R. unregelmäßige Grundrisse und sind von engen, winkligen Straßen, Gassen und Zufahrten durchzogen. Man unterscheidet zwischen großen geschlossenen und kleinen lockeren Haufendörfern. Eine besondere Form des Haufendorfes ist das Sackgassendorf. Es hatte ursprünglich eine umschließende Wallhecke und nur einen mit einem Schlagbaum zu sperrenden Zugang, von dem aus die Hofstellen zu erreichen waren.

 

Kulturgeschichte:

Haufendörfer entwickelten sich häufig aus  Drubbeln. Durch Hofteilung und  absplitterung oder durch Zuzug aus Wüstungsgebieten haben sich die Hofstellen stark vermehrt, solange die agrare Tragfähigkeit dies zuließ. Weil die Besiedlung der umgebenen wertvollen Landwirtschaftsflächen tabu war und von Grundherrn nicht gestattet wurde, fand eine Verdichtung des Dorfkerns statt.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

In fruchtbaren Gebieten (Südniedersachsen, Calenberger Land, Braunschweig-Hil­desheimer Lößbörde) herrschen große, geschlossene Haufendörfer vor. In nähr­stoffärmeren Geestgebieten überwiegen kleine lockere Haufendörfer. Sackgassen­dör­fer traten ursprünglich v. a. in der Hildesheimer Lößbörde auf.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Haufendörfer werden von den Denkmal- oder Naturschutz­behörden nur selten erfasst. Ihre typische Siedlungsstruktur sollte im Rahmen der Land­schaftsplanung erfasst und ihre Erhaltung durch die Bauleitplanung gewährleistet werden. Im Luft- oder Kartenbild lassen sie sich gut erkennen.

 

Literaturtipps: Lienau (1997), Seedorf & Meyer (1996)

Haufendorf Brunkensen, Ldkr. Hildesheim (Foto: Christian Wiegand)

Hufendorf

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Langgestreckte Aneinanderreihung zahlreicher Hofstellen entlang einer Siedlungsleitlinie (Kanal, Deich, Bach, Straße, Damm). Merkmal aller Hufendorftypen ist (im Gegensatz zum  Straßendorf) die dazuge­hörige  Hufenflur, das sind schmale, parallel verlaufende hofanschließende Besitzparzellen, die rech­twinklig zur Siedlungsleitlinie verlaufen und oft durch Gräben, Hecken oder Wege begrenzt sind. Der ganze Landbesitz eines Hofes besteht i. d. R. aus einer einzigen Hufe (Ackernahrung), während bei den anderen Dorftypen die Ackerparzellen über die Dorfflur verteilt im Gemenge liegen. In einem Hufendorf gibt es außer entlang der Siedlungsleitlinie keine weiteren Hofstellen, daher gibt es i. d. R. auch keine Pa­rallelstraßen, sofern nicht jüngere Ansiedlungen hinzugekommen sind. Nach Alter, Verbreitungsgebiet, Siedlungsleitlinie, Erscheinungsform u. a. lassen sich unterscheiden:

  • Waldhufendörfer entstanden im Früh- bis Hochmittelalter auf Waldrodungsflächen, in Niedersachsen v. a. in der südlichen Landeshälfte. Ihre Häuser liegen i. d. R. nur an einer Seite der Siedlungsleitlinie (Bach oder „Straße“), von wo aus sich die dazugehörenden Hufen (max. 100 m breit) hangaufwärts und in den Bachgrund hinein erstrecken.
  • Marschhufendörfer entstanden im Hochmittelalter, v. a. im 12. Jh. nachdem die  See- und Fluss­dei­che sturmflutsicher waren, in den Elb- und Wesermarschen und im Alten Land. Ihre Parzellen (z. T. „Königs- bzw. Holländerhufe“: 48 ha) erstreckten sich von alten Deichen oder neu gezogenen Entwässerungskanälen aus in das Marschland hinein, das erst entwässert und dann beackert wurde. Mitte des 19. Jh. wurden die Äcker wegen Verfalls der Getreidepreise vielfach in Grünland umgewandelt. Gegründet wurden Marsch­hufendörfer z. B. von den Bremer Bischöfen zur Erstbesiedlung des eingedeichten Marschlandes mit im Wasserbau erfahrenen Niederländern (Hollerkolonien).
  • Hagenhufendörfer entstanden im Hochmittelalter, v. a. im 13. Jh. z. B. im Schaumburger Land und nördlich von Hannover bis zur Weser. Sie ähneln Waldhufendörfern, liegen jedoch meist in ebenem Gelände. Ihre Namen enden meist auf -hagen, weil die Siedler eine eigene Rechtsform (Hägerrecht) erhielten.
  • Aufstrecksiedlungen sind seit dem 14. Jh. in Ostfriesland entstanden, um vom Geestrand aus Moorgebiete zu besiedeln. Nach dem ,,Up­streekrecht" durften die Siedler ihre Hufe solange nach hinten erweitern, bis sie an fremde Besitzparzellen stießen, wodurch Hufen von 50 Metern Breite und bis zu zwei Kilometern Länge entstanden sind.
  • Fehndörfer reihen sich an Kanälen auf und wurden im 17.-19 Jh. zur Torfgewinnung in Mooren (Fehn) angelegt, z. B. im Emsland, in Ostfriesland und Oldenburg. Da ihre Siedler v. a. vom Torfverkauf und weniger von der Landwirtschaft lebten, sind ihre Grundstücke nur wenige Hektar groß.
  • Moorhufensiedlungen sind Kolonistensiedlungen (auch  Heidekolonie) des 18. Jahrhunderts, die zur Besiedlung bislang unbewohnter, schlecht entwickelter Moorgebiete im Elbe-Weser-Dreieck gegründet wurden. Wie bei den emsländischen und ostfriesischen Fehndörfern ist die Siedlungsleitlinie meist ein Kanal. Das Land sollte jedoch im Gegensatz dazu als landwirtschaftliche Nährfläche dienen und war mit 10 bis 15 ha entsprechend größer.
  • Deichreihensiedlungen entstanden in der Neuzeit, v. a. im 18. Jh., z. B. am Dollart und Jadebusen, und wurden entlang neu angelegter Deiche nach dem bewährten Muster der mittelalterlichen Marschhufendörfer angelegt, um neu eingedeich­tes Land zu besiedeln. Zumeist stehen die Häuser so weit auseinander, dass man nicht mehr von einem Dorf sprechen kann.

Kulturgeschichte:

Hufendörfer sind das Ergebnis gelenkter Siedlungstätigkeiten in bis da-hin gemiedenen Gebieten (Binnenkolonisation). Ihre langgestreckte, ungeschützte Form ist ein Hinweis auf befriedete Zeiten, in denen die Selbstverteidigung der Dorfbewohner keine Rolle mehr spielte und Landesherren den Schutz, aber auch den Besiedlungsvorgang über­nommen hatten. Hufendörfer boten gegenüber  Haufendörfern verschiedene Vorteile, wes­halb sich das Prinzip vom Hochmittelalter bis in die späte Neuzeit erhalten hat: Das zu erschließende Land wurde gleichmäßig verteilt, und neue Hofstellen konnten später ohne Proble­me hinzukommen, ohne dass Hofteilungen oder Nutzungseinschränkungen entstanden. Auch konnten die Bauern individuell entscheiden, wie schnell und intensiv sie ihr Land in den Wald hinein roden bzw. in Marsch oder Moor hinein kultivieren wollten.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Hufendörfer sind in ihrer Grundstruktur als Reihensiedlungen im Luft- oder Kartenbild gut zu erkennen und vielerorts erhalten, obwohl seit ihrer Gründung vielfach 800 Jahre vergangen sein können. Die dazugehörende Hufenflur ist dagegen durch Flurneuordnungen meist überformt und nur selten noch in ihrer ursprünglichen Begrenzung in der Landschaft zu erkennen.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Hufendörfer werden von den Denkmal- oder Naturschutz­behörden nur selten erfasst. Ihre typische Siedlungsstruktur sollte im Rahmen der Land­schaftsplanung erfasst und ihre Erhaltung durch die Bauleitplanung gewährleistet werden. Im Luft- oder Kartenbild lassen sie sich gut erkennen.

 

Literaturtipps: Lienau (1997), Seedorf & Meyer (1996)

Fehnkolonie Großefehn, Ldkr. Aurich (Foto: Axel Heinze)

Jheringsfehn in Karte von A. Papen, 1843

Platzdorf

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Dorf mit einem zentralen Platz, meist in Gemeindebesitz, umgeben von Hofstellen oder Gemeinschaftsgebäuden. Man unterscheidet drei Typen:

  • Beim Wurtendorf liegen die Hofstellen zum Schutz vor Hochwasser und Sturmfluten auf einer  Wurt, einem künstlich aufgeworfenen Erdhügel. Dorfwurten sind häufig mit dem Ansteigen des Meeresspiegels im Verlauf einer langen Zeit aus Einzelwurten (Hauswurten) durch weitere Aufhöhungen zusammengewachsen. Zu unterscheiden von den normalen, aber nur in Einzelfällen wirklich runden Rundwurten sind die größeren Lang­wurten, die mit Burgen und Kaufmannshäusern besetzt waren und von einem langgestreckten Scheitelweg erschlossen werden.
  • Beim Rundling sind 6 bis 15 Höfe hufeisenförmig um einen runden Platz angeordnet. Die Flurstücke der Hofstellen erstrecken sich von der Ortsmitte strahlenförmig in die Feld­flur. Der Rundling liegt i. d. R. abseits überörtlicher Wegeverbindungen und war früher nur durch eine Stichstraße erschlossen.
  • Beim Angerdorf sind die Höfe um einen gemeinsamen Grasplatz (Anger) herum angeordnet. Es gilt als Mischform zwischen dem Rundling und dem  Straßendorf.

 

Kulturgeschichte:

Wurtendörfer sind im Zuge der friesischen Landnahme seit dem 8. Jh. entstanden, bei der bereits in prähistorischer Zeit entstandene Wurten erhöht und wiederbesiedelt wurden. Auch Wiksied­lungen (Handelssiedlungen aus vor- und frühchristlicher Zeit) sind in den Marschen auf Langwurten entstanden, in anderen Regionen lagen sie aufgereiht an Straßen oder Flussübergängen.

Die übrigen Platzdörfer sind planmäßige Anlagen und charakteristische Siedlungsformen des hohen Mittelalters. Den ehemaligen, für ein Platzdorf charakteristischen Dorfplatz nutzte man später oft für eine Kirche und einen Teich zur Speicherung von Regenwasser. Seit dem Deichbau (ab 1050 n. Chr.) konnte der mühsame Wurtenbau aufgegeben werden.

Rundlinge sind eine Besonderheit des Wendlandes und wurden zu Beginn der Ostkolonisation zwischen 1150 und 1200 planmäßig angelegt, vermutlich von nichtchristlichen Slawen unter deutschen Lokatoren. Das Angerdorf ist die typische Dorfform der deutschen Ostkolonisation des 12. bis 14. Jahrhunderts.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Wurtendörfer sind typisch für Marsch­gebie­te, v. a. an der Nordseeküste, aber auch in Flussmarschen. Rundlinge beschränken sich in Niedersachsen auf einen relativ schmalen Streifen entlang der ehemaligen Slawengrenze im hannoverschen Wendland, in den Landkreisen Lüchow-Dan­nen­berg, Uelzen und Gifhorn. An­ger­dörfer haben im Jungsiedelgebiet östlich der Elbe ihre größte Verbreitung.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Platzdörfer werden von den Denkmal- oder Naturschutz­behörden kaum erfasst (Ausnahme Rundlinge). Ihre typische Siedlungsstruktur sollte im Rahmen der Land­schaftsplanung erfasst und ihre Erhaltung durch die Bauleitplanung gewähr­­leistet werden. Im Luft- oder Kartenbild lassen sie sich gut erkennen.

 

Literaturtipps: Lienau (1997), Seedorf & Meyer (1996)

Wurtendorf Werdum, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

Warft Nordwerdum, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

Rodungsinsel

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Eine Rodungsinsel ist eine Siedlung (Dorf oder Einzelhof) mit umliegenden Acker- und Grünlandflächen innerhalb eines Waldes. I. d. R. liegt die Siedlung in der Mitte der Freifläche. Rodungsinseln können allerdings leicht verwechselt werden mit Dörfern, die durch spätere Aufforstung wie Rodungsinseln erscheinen (z. B. in der Südheide oder im Wendland). Solche Dörfer erkennt man an Spuren ehemaliger Acker- oder Wiesenbewirtschaftung (z. B.  Terrassenäcker,  Wölbäcker oder  Be­wässe­rungs­wiesen) im umgebenden Wald.

 

Kulturgeschichte:

Fast alle Dörfer sind früher auf Rodungsinseln entstanden, die später durch weitere Rodungen zu offenen Flächen zusammengewachsen sind. Gegenwärtig noch erkennbare Rodungsinseln stammen i. d. R. aus dem hohen Mittelalter oder der frühen Neuzeit und sind Zeugnisse relativ später Besiedlung, der Binnenkolonisation. Aufgrund starken Bevölkerungsanstiegs wurden hierbei auch für Landwirtschaft weniger gut geeignete, bislang bewaldete Flächen des Berglandes gerodet.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Rodungsinseln finden sich v. a. auf ebenen Flächen im Niedersächsischen Berg- und Hügelland (Weserbergland, Harz).

 

Erfassung, Gesetzlicher Schutz:

Hinweise auf Rodungsinseln geben historische Karten. Rodungsinseln lassen sich aber nur mit dem Wissen um die Geschichte einer Siedlung sicher als solche identifizieren. Sie sollten dem NHB gemeldet werden.

 

Literaturtipps: Küster (1998: 126f.), Lienau (1997), Seedorf & Meyer (1996)

Rodungsinsel Friedrichsburg, Ldkr. Hameln (Foto: Christian Wiegand)

Rodungsinsel Gröningen, Ldkr. Hameln (Foto: Christian Wiegand)

Straßendorf

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Das Straßendorf ist wie das  Hufendorf ein Reihendorf, bei dem die Hofstellen beiderseits der Straße aufgereiht sind. Im Gegensatz zum Hufendorf liegt das Ackerland der Höfe im Gemenge in der Flur verteilt, hat also nicht unbedingt direkten Hofanschluss.

 

Kulturgeschichte:

Straßendörfer gehen i. d. R. auf die deutsche Binnenkolonisation (12./ 13. Jh.) zurück, als von den Landes- bzw. Grundherren in unbesiedelten Gebieten (z. B. Wendland) Dörfer gegründet wurden. Sie eigneten sich (im Gegensatz zu  Rund­lin­gen) für größere Ansiedlungen, weil das Dorf an seinen Enden beidseitig entlang der „Straße“ erweitert werden konnte. Straßendörfer sind z. T. nach Dorfbränden aus Rundlingen hervorgegangen.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Straßendörfer sind in Niedersachsen auf den Landkreis Lüchow-Dannen­berg beschränkt. Aufgrund ihrer abseitigen Lage und der Nährstoffarmut ihrer Ackerböden sind viele Straßendörfer klein geblieben und haben dort noch ihre typische Dorfform be­wahrt. (siehe Abb. Siedlungsformen)

 

Erfassung, gesetzlicher Schutz:

Straßendörfer werden von den Denkmal- oder Naturschutz­behörden nur selten erfasst. Ihre typische Siedlungsstruktur sollte im Rahmen der Land­schaftsplanung erfasst und ihre Erhaltung durch die Bauleitplanung gewährleistet werden. Im Luft- oder Kartenbild lassen sie sich gut erkennen.

 

Literaturtipps: Lienau (1997), Seedorf & Meyer (1996)

Streusiedlung

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Bei der Streusiedlung haben die Hofstellen keinen dörf­lichen Zusammenhang, sondern liegen als Einzelhöfe isoliert voneinander. Einzelhöfe, die inmitten ihrer Ländereien liegen, nennt man auch Kamphof. Jüngere Einzelhöfe, die im Zuge von Arrondierungen oder Flurbereinigungen entstanden sind, nennt man Aussiedler- oder Einödhof. Ein Gräftenhof ist ein burgähnlich von einem Wassergraben umschlossener Einzelhof.

 

Kulturgeschichte:

Streusiedlungen können bereits im frühen Mittelalter entstanden sein, z. B. durch Gründung fränkischer, an strategisch wichtiger Stelle gelegener Meier- bzw. Schulzenhöfe, oder wenn karge Bodenverhältnisse keine Ansammlung mehrerer Höfe zuließen. In der frühen Neuzeit können Einzelhöfe durch die Ansiedlung von Markköttern oder durch den Bau von Heuerlingshäusern hinzugekommen sein. Andere Einzelhöfe sind erst nach den Gemeinheitsteilungen (Markenteilungen) des 19. Jahrhunderts durch Aussiedlung aus den Dörfern entstanden. In Marsch­gebieten gibt es alte, separat auf kleinen  Wurten (Hauswurten) liegende Einzelhöfe oder jüngere Einzelhöfe, die im 18. und 19. Jh. in der entwässerten Jungmarsch auf der zugeteilten Wirtschaftsfläche gegründet wurden, um weite Wege zu den Äckern zu vermeiden. Vor allem im westlichen Niedersachsen kann die Streusiedlung in solchem Maße verbreitet sein, daß sie einen großen Einfluss auf die Eigenart der Landschaft hat.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Streusiedlung ist v. a. in den nährstoffarmen Gebieten westlich der Weser verbreitet, z. B. im Oldenburger Münsterland, im Emsland oder im Osnabrücker Nordland. (siehe Abb. Siedlungsformen)

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Einzelhöfe ( Bauernhaus) werden von den Denkmalbehörden als Baudenkmal erfasst und in das Ver­zeich­nis der Kulturdenkmale aufgenommen. Das Siedlungsmuster der Streusiedlung wird von den Denkmal- oder Naturschutz­behörden nur selten erfasst. Ihre typische Siedlungsstruktur sollte im Rahmen der Land­schaftsplanung erfasst und ihre Erhaltung durch die Bauleitplanung gewährleistet werden. Im Luft- oder Kartenbild lässt sie sich gut erkennen.

 

Literaturtipps: Lienau (1997), Seedorf & Meyer (1996)

Streusiedlung Wellingholzhausen, Ldkr. Osnabrück (Foto: Christian Wiegand)

Wüstung

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Wüstungen sind ehemalige, aufgegebene Siedlungen des Mittelalters oder der Neuzeit, die in Wäldern oder im Grünland oft mit bloßem Auge an  Wölbäckern oder ehemaligen  Terrassenäckern, seltener an Hauspodesten oder Ruinenresten zu erkennen sind. Im Ackerland, wo Bodenmerkmale durch den Einsatz schwerer Maschinen zerstört werden, kann eine Konzentration von Siedlungsabfall (insbesondere Keramik wie Topfscherben oder Dachziegel) auf eine ehemalige Siedlung hinweisen. Auch alte Flurkarten und Flurnamen können Hinweise auf Wüstungen geben.

 

Kulturgeschichte:

Das Wüstfallen zahlreicher Orte lässt sich v. a. für das Spätmittelalter in der sogenannten Wüstungsperiode (ca. 1320 - 1450) nachweisen. Stellenweise verschwanden 30 bis 60% der Dörfer, im Hochharz und auf der Hochfläche des Sollings sogar 100%. Hauptursachen waren Seuchen wie die Schwarze Pest (1349 - 1353), Agrarkrisen (Verfall der Getreidepreise), Landflucht, Kriege und Fehden und eine Siedlungskonzentration unter grundherrlichem Druck. Zum Teil zogen die überlebenden Bauern von den aufgegebenen Siedlungen in Nachbardörfer und -städte und bewirtschafteten von dort aus ihr Land weiter, wie Flurnamen häufig erkennen lassen.

 

Vorkommen/ Verbreitung:

Besonders häufig sind Wüstungen in fruchtbaren Regionen (Lössböden), wo im Hoch­mit­telalter eine enorme, bis heute nie wieder erreichte Siedlungsdichte bestand.

 

Erfassung/ Gesetzlicher Schutz:

Wüstungen werden nur vereinzelt von den archäologischen Denkmalbehörden erfasst und vom NLD ins Verzeichnis der Kulturdenkmale aufgenommen. Solche mit landschaftlich sichtbaren Relikten sollten dem NHB gemeldet werden. Hinweise auf Wüstungen geben historischen Urkunden, Flurnamen, Funde im Gelände (z. B. Scherben, Hauspodeste, Wölbäcker unter Wald) oder alte Landkarten (v. a. Verkoppelungskarten).

 

Literaturtipps: Abel (1976), Lienau (1997), Möller (1984), Seedorf & Meyer (1996)

Wüstung Leisenberg, Ldkr. Northeim (Foto: Christian Wiegand)

Brunnenrelikt Wüstung bei Ilhorn, Ldkr. Heidekreis (Foto: Florian Friedrich)

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