Platzdorf

Merkmale, Morphologie, Typologie:

Dorf mit einem zentralen Platz, meist in Gemeindebesitz, umgeben von Hofstellen oder Gemeinschaftsgebäuden. Man unterscheidet drei Typen:

  • Beim Wurtendorf liegen die Hofstellen zum Schutz vor Hochwasser und Sturmfluten auf einer →Wurt, einem künstlich aufgeworfenen Erdhügel. Dorfwurten sind häufig mit dem Ansteigen des Meeresspiegels im Verlauf einer langen Zeit aus Einzelwurten (Hauswurten) durch weitere Aufhöhungen zusammengewachsen. Zu unterscheiden von den normalen, aber nur in Einzelfällen wirklich runden Rundwurten sind die größeren Lang­wurten, die mit Burgen und Kaufmannshäusern besetzt waren und von einem langgestreckten Scheitelweg erschlossen werden.
  • Beim Rundling sind 6 bis 15 Höfe hufeisenförmig um einen runden Platz angeordnet. Die Flurstücke der Hofstellen erstrecken sich von der Ortsmitte strahlenförmig in die Feld­flur. Der Rundling liegt i. d. R. abseits überörtlicher Wegeverbindungen und war früher nur durch eine Stichstraße erschlossen.
  • Beim Angerdorf sind die Höfe um einen gemeinsamen Grasplatz (Anger) herum angeordnet. Es gilt als Mischform zwischen dem Rundling und dem →Straßendorf.

Wurtendorf Werdum, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

 
 

Warft Nordwerdum, Ldkr. Wittmund (Foto: Axel Heinze)

 

Kulturgeschichte:

Wurtendörfer sind im Zuge der friesischen Landnahme seit dem 8. Jh. entstanden, bei der bereits in prähistorischer Zeit entstandene Wurten erhöht und wiederbesiedelt wurden. Auch Wiksied­lungen (Handelssiedlungen aus vor- und frühchristlicher Zeit) sind in den Marschen auf Langwurten entstanden, in anderen Regionen lagen sie aufgereiht an Straßen oder Flussübergängen.

Die übrigen Platzdörfer sind planmäßige Anlagen und charakteristische Siedlungsformen des hohen Mittelalters. Den ehemaligen, für ein Platzdorf charakteristischen Dorfplatz nutzte man später oft für eine Kirche und einen Teich zur Speicherung von Regenwasser. Seit dem Deichbau (ab 1050 n. Chr.) konnte der mühsame Wurtenbau aufgegeben werden.

Rundlinge sind eine Besonderheit des Wendlandes und wurden zu Beginn der Ostkolonisation zwischen 1150 und 1200 planmäßig angelegt, vermutlich von nichtchristlichen Slawen unter deutschen Lokatoren. Das Angerdorf ist die typische Dorfform der deutschen Ostkolonisation des 12. bis 14. Jahrhunderts.

Vorkommen / Verbreitung:

Wurtendörfer sind typisch für Marsch­gebie­te, v. a. an der Nordseeküste, aber auch in Flussmarschen. Rundlinge beschränken sich in Niedersachsen auf einen relativ schmalen Streifen entlang der ehemaligen Slawengrenze im hannoverschen Wendland, in den Landkreisen Lüchow-Dan­nen­berg, Uelzen und Gifhorn. An­ger­dörfer haben im Jungsiedelgebiet östlich der Elbe ihre größte Verbreitung.

Erfassung / Gesetzlicher Schutz:

Platzdörfer werden von den Denkmal- oder Naturschutz­behörden kaum erfasst (Ausnahme Rundlinge). Ihre typische Siedlungsstruktur sollte im Rahmen der Land­schaftsplanung erfasst und ihre Erhaltung durch die Bauleitplanung gewähr­­leistet werden. Im Luft- oder Kartenbild lassen sie sich gut erkennen.

Literaturtipps: 

Lienau (1997), Seedorf & Meyer (1996)