Merkmale, Morphologie, Typologie:
Eine Bewässerungswiese (in Süddeutschland Wässerwiese) ist eine Wiese, die mit dem Wasser eine Fließgewässers gedüngt wird. Man unterscheidet zwei Typen:
- Bei der Stauwiese wird das Wasser v. a. im Winter mit Hilfe von Wehren und kleinen Dämmen bis zu 40 cm hoch aufgestaut. Die fruchtbaren Schwebstoffe sinken dabei langsam zu Boden.
- Bei der Rieselwiese (in Nordniedersachsen und Westfalen regional auch Flößwiese) lässt man Wasser in einem dünnen Film über die Wiese fließen (rieseln). Die Schweb- und z. T. gelösten Nährstoffe werden dabei durch die Vegetation ausgekämmt.
In hügeligem Gelände (Hangbau) leitet man dazu das Bachwasser mit Hilfe eines Staus in einen oberhalb der Wiese angelegten, hangparallel verlaufenden Bewässerungsgraben (→Graben) und lässt es von dort über die Wiese rieseln. Unterhalb angelegte Entwässerungsgräben sammeln das überschüssige Wasser, führen es zum Bach zurück oder bewässern weitere, unterhalb gelegene Wiesen.
In der Ebene muss man durch Rückenbau das notwendige Gefälle künstlich erzeugen. Hierzu baut man auf der Wiese parallele langgestreckte flache Erhebungen (Rücken), über die eine blind endende Rinne führt. Durch Fluten der Rinnen rieselt das Bachwasser über die Wiese und wird von zwischen den Rücken angelegten Gräben wieder abgeführt.
Kulturgeschichte:
Die ersten Berichte über Wiesenbewässerung in Deutschland stammen aus dem Hochmittelalter, in Niedersachsen aus dem späten 16. Jahrhundert. Ihre Blütezeit lag in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die 1854 gegründete Wiesenbauschule in Suderburg (Landkreis Uelzen) trug maßgeblich zur Verbreitung der Technik von Mittel- bis nach Osteuropa bei.
Vorkommen / Verbreitung:
Rieselwiesen waren v. a. in Gebieten geringer Bodenfruchtbarkeit verbreitet. Schwerpunkte in Niedersachsen waren die Bach- und Flusstäler in den eiszeitlich geprägten Landschaften der Geest („Lüneburger Rückenbau“), im übrigen Deutschland v. a. das Bergland mit sauer verwitterndem Ausgangsgestein (z. B. Siegerland, Schwarzwald).
Besonders geeignet waren Fließgewässer, die, aus Lössgebieten kommend, fruchtbare Schwebstoffe in nährstoffarme Gebiete führten, in Niedersachsen z. B. Oker, Hunte oder Fuhse. In den 1950er Jahren ist die unterhaltungsaufwändige Wiesenbewässerung aufgegeben worden. Durch Umbruch und Neueinsaat bzw. Ackernutzung ist die Mehrzahl der ehemaligen Rieselwiesen im Gelände fast nicht mehr zu erkennen.
Erfassung / Gesetzlicher Schutz:
Historische Bewässerungswiesen und ihre Relikte wie Rücken, Gräben, Dämme oder Stauwehre werden von den Denkmal- und Naturschutzbehörden kaum erfasst und sollten dem NHB gemeldet werden. Hinweise auf ehemalige Rieselwiesen enthält u. a. die Preußische Landesaufnahme, in der die alten Stauwehre und das dazugehörige charakteristische Grabensystem i. d. R. eingezeichnet sind.
Literaturtipps:
Brinkmann, (1956), Hetzel (1959), Hoppe (2001), Küster (1995), Vogtherr (1986)