Merkmale, Morphologie, Typologie:
Unter Bauernhaus wird hier das Wohn- und Wirtschaftsgebäude eines landwirtschaftlichen Betriebes verstanden, daneben gibt es →Scheunen, →Speicher und andere →landwirtschaftliche Nebengebäude. In Niedersachsen unterscheidet man nach Aufteilung und Bauweise drei Typen von Bauernhäusern:
- Das Niederdeutsche Hallenhaus ist traditionell ein Fachwerkhaus mit Reetdach. Je nach Größe ist es als Zwei-, Drei- oder Vierständerbau konstruiert, d. h. der Dachstuhl ruht auf zwei, drei oder vier Reihen senkrechter Ständer. Seit dem 19. Jh. wird das Hallenhaus meist aus Bruch- oder Ziegelstein gemauert und mit Dachpfannen gedeckt. Charakteristisch ist ein imposanter Giebel mit einer großen, mehr oder weniger mittigen und mit einem Wagen durchfahrbaren Dielentür. Wohn- und Wirtschaftsbereich liegen unter einem Dach, die Ernte lagert auf dem Dachboden. Kleine Exemplare sind das Heuerlingshaus, der Kotten oder die Kate sowie das Altenteil als Altersruhesitz.
- Das Gulfhaus ist i. d. R. ein Ziegelbau und wie das Hallenhaus giebelseitig befahrbar; die Dielentür liegt jedoch immer seitlich im Giebel. Das Dach kann erheblich höher sein als beim niederdeutschen Hallenhaus, ist an den Querseiten tief hinuntergezogen und über den Giebeln aus Windschutzgründen abgewalmt. Die Ernte wird vom Boden bis unter den First gestapelt. Direkt an dem Wirtschaftsteil anschließend und mit ihm unter einem Dach liegt der oft zweistöckige Wohnteil.
- Das Querdielenhaus (Mitteldeutsches oder Ernhaus) ist im Vergleich zum Hallen- bzw. Gulfhaus relativ klein. Es hat viele Erscheinungsformen und Varianten, typisch ist bei allen die quer zur Firstrichtung liegende Einfahrtdiele. Als eine der Unterformen ist das Harzer Haus hervorzuheben, das mit seiner Bretterverschalung und seinem steilen Dach besonders gut gegen regen- und schneereiches Klima geschützt ist.
Kulturgeschichte:
Bauernhäuser prägen mit ihren unterschiedlichen Bauweisen in hohem Maße die Eigenart der niedersächsischen Kulturlandschaften. Dabei nahm ihre Größe mit steigender Baukunst spätestens seit dem Hochmittelalter zu.
Beherrschender Haustyp in Niedersachsen ist das Hallenhaus, bei dem wie im Gulfhaus alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche unter einem Dach untergebracht sind. Die räumliche Nähe zum Vieh lässt auf eine traditionell große Bedeutung der Viehwirtschaft schließen. Auch später trennte lediglich eine Zwischenwand den Wohnbereich von Diele und Stall. Heuerlingshäuser entstanden vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die hier lebenden Heuerlingsfamilien besaßen kein eigenes Land und waren verpflichtet, als Gegenleistung für das gepachtete Haus im landwirtschaftlichen Betrieb des Haupthofes zu arbeiten.
Das Gulfhaus entwickelte sich von den Niederlanden kommend zunächst in den Marschgebieten (16. und 17. Jh.), später auch in der angrenzenden Geest. Unter seinem großen Dach sollten die steigenden Erträge gelagert werden, denn zu dieser Zeit erfuhr Landwirtschaft wegen des großen Nahrungsmittelbedarfs der aufstrebenden Städte einen großen Aufschwung
Vorkommen / Verbreitung:
In den meisten niedersächsischen Gebieten bestimmt das Hallenhaus das Bild. Das Gulfhaus dominiert in den Marschgebieten entlang der gesamten Nordseeküste von Holland bis Schleswig-Holstein, mit Ausnahme des Elbe-Weser-Dreiecks. Das Querdielenhaus ist typisch für den gesamten mitteldeutschen Raum und beschränkt sich in Niedersachsen auf die Landkreise Göttingen, Goslar, Northeim und Osterode.
Erfassung / Gesetzlicher Schutz:
Bauernhäuser werden von den Baudenkmalbehörden erfasst und bei entsprechender Ausprägung in das Verzeichnis der Kulturdenkmale aufgenommen.
Literaturtipps:
Ellenberg (1990), Gläntzer et al. (1992), Kaiser & Ottenjann (1995), Möller (1984); Schepers (1976)