Charakteristische dickwulstige Stämme und unzählige dünne, gerade Äste, die sich zum Himmel recken: Kopfweiden sind ein prägendes Element der Kulturlandschaft an der Wurster Nordseeküste im Landkreis Cuxhaven. In Midlum steht eine 470 Meter lange Kopfweiden-Allee am Weg „Milmer Bosenbüttel“. Sie steht zu Recht als Naturdenkmal unter Schutz und wird im Juli 2020 als „Allee des Monats“ gekürt.
1995 wurden die damals 118 Silber-Weiden der „alten, fast lückenlosen Kopfweidenallee“ aufgrund ihrer „besonderen landschaftsprägenden Wirkung“ als Naturdenkmal (ND-Cux 221) ausgewiesen. Heute sind noch 80 der imposanten und zum Teil bereits über 150 Jahre alten Bäume erhalten und werden aufwendig gepflegt. Mit einem regelmäßigen, radikalen Rückschnitt werden alle Äste und Zweige entfernt, sodass mit der Zeit der markante „Kopf“ entsteht. Das „Schneiteln“ alle drei bis sieben Jahre ist wichtig für den Erhalt der Bäume, da alte Kopfweiden unter dem Gewicht der nachwachsenden Äste auseinander zu brechen drohen. Die Allee in Midlum bekommt von der Gemeinde Wurster Nordseeküste alle drei Jahre einen radikalen Rückschnitt sowie jährliche Pflegeschnitte, um ausreichend Platz für die immer größer werdenden landwirtschaftlichen Fahrzeuge zu schaffen.
Früher war das schnell wachsende Holz der Weiden ein unverzichtbarer Rohstoff: die dünnen, flexiblen Zweige der Silber-Weiden eignen sich ideal für das Flechten von Körben und wurden auch für Geflechte im Fachwerkbau genutzt. Mit sinkender Nachfrage der Weidenruten sank auch das Interesse am Erhalt der Kopfweiden, da die Pflege und Erhalt der Bäume mit einigem Aufwand verbunden ist. So geht die Kulturpflanze in vielen Regionen immer mehr verloren.
Dabei sind die Silber-Weiden als Kopfbäume nicht nur ein lebendes Kulturgut, sie haben auch hohen ökologischen Wert. Die meist hohlen Stämme der älteren Bäume dienen Fledermäusen, Eulen und anderen Vogelarten als Schlaf- und Nistgelegenheit. Die Kätzchen der Silber-Weide bieten im zeitigen Frühjahr zudem die erste Nahrungsquelle für Insekten und Honigbienen.
Die knorrigen, geheimnisvoll wirkenden Kopfweiden der Allee in Midlum sind als typisches Landschaftselement, als Kulturgut und für ihren ökologischen Wert zu Recht als Naturdenkmal geschützt. Um den Wert der Kopfweiden weiß auch Alleenfreundin und Fotografin Beate Ulich aus Wremen: „Es ranken sich unzählige Geschichten über mystische Gestalten wie Feen, Hexen und Geister um die Kopfweiden. Wie überall, ist auch im Landkreis Cuxhaven dieses typische Landschaftselement immer weniger zu finden und deshalb von sehr hohem Schutzwert. Sogar an der ländlich geprägten Wurster Nordseeküste ist die Kopfweide mittlerweile eine Rarität.“ Für den Erhalt der alten Bäume sollte unbedingt an der regelmäßigen Pflege festgehalten werden. Außerdem ist es essentiell für den Fortbestand der Allee, die bereits entstandenen Lücken mit Neupflanzungen zu füllen, um so auch zukünftigen Generationen die historische Bedeutung von Kopf-Weiden für die Region Wurster Nordseeküste nahe zu bringen. Die Gemeinde Wurster Nordseeküste ist sich der Historie der Kopfweiden bewusst. Jenz Hinzmann, stellvertretender Bauhofleiter, betonte: „ Wir achten sehr streng darauf, alle alten Bäume zu erhalten.“ Lücken in der Kopfweiden-Allee würden aufgefüllt und nach dem Bau einer neuen Deichschutzhalle in Padingbüttel sei sogar eine neue Kopfweidenallee angepflanzt worden.
Foto: Beate Ulich